03.03.2008 / 22:13 / André Fromme liest: Bücher (von Autoren)

Die Angst des Lesers vor der nächsten Seite (46-106)

Um direkt zum Punkt zu kommen – ab etwa Seite 50 war ich gründlich bedient vom Erzählstil dieses Buchs. Ich verspürte nur geringen Reiz, in jeder freien Minute den »Tormann« zur Hand zu nehmen. Frei improvisiert las sich die Chose etwa wie folgt: Bloch ging in eine Gaststätte. Dort wunderte er sich über [beliebige völlig uninteressante Handlung/Person/Tatsache/Sache hier einfügen]. Er verstand das alles nicht. Es wurde erst wieder ernst, als jemand zahlen wollte. Bloch ging auf die Strasse. Der Asphalt war gar nicht mehr nass, obwohl den ganzen Tag die Sonne geschienen hatte. Was hatte das zu bedeuten? Zuletzt geregnet hatte es schliesslich gestern. Die Büsche am Wegesrand rauschten. Das sagte Bloch jedoch nichts.

Das wirkt auf kurzer Strecke vielleicht belustigend, über gefühlte 300 Seiten aber nicht mehr so. Abbrechen kommt trotzdem nicht in Frage. Ein 106-Seiten-Buch abbrechen. Ich glaube, es hackt.

Wikipedia nennt den Text »unstrukturiert«. Kann man wohl sagen. Bloch stochert durch die Gegend und bekommt nebenher etwas von Mordermittlungen mit, die zuerst nicht ihm – ja noch nicht einmal dem von ihm begangenen Mord – gelten. Dabei macht er sich wahnsinnig viele Gedanken zu den unerheblichsten Dingen – und wie der Held im (ungemein handlungsreicheren) Buch »Mona« von Alexander Gorkow liegt Bloch gerade dann besonders daneben, wenn er selbst meint, er habe einen hellen Moment. Das Buch wird erst fassbar, als der ehemalige Torwart Bloch – in der Gewissheit, in Bälde festgenommen zu werden – zum Fussballplatz geht und sich dort mit einem anderen Zuschauer über die Angst des Tormanns beim Elfmeter unterhält. Hier schafft Handke das Kunststück, den Leser vergessen zu lassen, dass eigentlich nicht der Torwart derjenige ist, der Angst vor dem Elfer hat – was hat er schliesslich zu verlieren – sondern der Schütze. Das ist toll. Vielleicht schreibe ich das jetzt aber auch nur deshalb, weil ich in dieser Szene so gerührt davon war, endlich wieder echte, konkrete Handlung vorzufinden.

Was bleibt: angesichts des geistigen Zustands des Herrn Bloch wäre ich zugegebenermassen sehr neugierig, wie wohl seine Vernehmung ablief. Ich bin aber ebenso zugegebenermassen nicht böse, dass Handke das Buch schon vor Blochs Verhaftung enden liess.

Bei der Lektüre mit einer neuen, aufregenden Farbe versehen:
• Diese Woche mal nichts.


Kommentar #1 von thilo:

Die unsinnige und wie ich fürchte mehr von Unkenntnis bzw. Desinsteresse als von ironischer Verkehrung getriebene Verwechslung von Schützen und Tormann hat mich bisher auch immer abgehalten, das Buch zu lesen. Andererseits: 103 Seiten, das klingt nach fluffiger Nebenbeilektüre.

05.03.2008 / 13:36

Kommentar #2 von André Fromme:

...fluffige Nebenbeilektüre dachte ich mir ja aus fast genau derselben Überlegung heraus auch. Von wegen... Habe schon 500 Seiten-Wälzer schneller und mit mehr Vergnügen gelesen.

17.07.2008 / 19:42